Der Kampf um die Great Plains 1823 - 1890

  • Die Great Plains bezeichnen das Gebiet, was wir gemeinhin als die Prärie bezeichnen, ohne jedoch nur das Grasland zu sein, das wir uns darunter vorstellen. Tatsächlich besteht das Gebiet sowohl aus Steppen und Savannen als auch Wüsten und Halbwüsten und ist verschiedentlich von Gebirgen durchzogen, wie z.B. den Black Hills als bekanntestes Beispiel. Die Great Plains erstrecken sich von den kanadischen Prärieprovinzen im Norden bis zum Rio Grande im Süden. Die Westgrenze stellen die Rocky Mountains dar während die Ostgrenze durchaus umstritten ist. Grob kann man sie westlich des Mississippi und entlang des Red River of he North ziehen. Da streiten die Gelehrten, doch letztlich ist das nur ein Streit um des Kaisers Bart, denn wenn man wiederum über das Kulturareal der Plains und Prärien spricht, bezieht man auch Gebiete östlich des Mississippi mit ein.


    Damit kommen wir zum nächsten Punkt, denn die Prärieindianer, wie wir sie uns vorstellen, sind eigentlich Plainsindianer, während Prärieindianer schon sehr deutlich von dem Klischee abweichen, das in unserer Phantasie existiert. Allerdings existierten beide Kulturen mehr oder weniger im selben Gebiet und wiesen teilweise fließende Übergänge auf. Während der Plainsindianer als Nomade die Plains durchstreifte, um Bisons oder Gabelböcke, die dort in riesigen Herden lebten, zu jagen, war der Prärieindianer eher seßhaft, betrieb Ackerbau und ging nur dann auf die Büffeljagd, wenn die Herden durch sein Gebiet zogen oder er Zeit hatte, den Herden zu folgen. In diesem Fall übernahmen sie vorübergehend die Lebensweise der Plainsindianer. Überhaupt muss man sagen, dass die meisten Plainsvölker ursprünglich der Präriekultur entstammten bzw. im Rahmen ihrer Wanderbewegungen vorübergehend Teil dieser Kultur waren. Andere Plainsvölker entstammten den angrenzenden Kulturarealen, auf die einzugehen hier zu weit führen würde.


    Über die Besiedlung der Great Plains gibt es kontroverse Ansichten. Während die vorherrschende Meinung darin besteht, dass sie ursprünglich nur extrem dünn besiedelt waren, eigentlich nur an den Flussläufen, weil den Völkern die entsprechenden Mittel zur Überwindung der großen Entfernungen und zum Transport ihrer Habseligkeiten fehlten, geht eine andere Theorie davon aus, dass es auch schon vor Inbesitznahme des Pferdes eine Plainskultur, die auf der Büffeljagd basierte, gegeben hat, die jedoch durch eingeschleppte Krankheiten zusammenbrach und erst damit zum Entstehen der riesigen Büffelherden geführt haben soll. Wie dem auch sei, erst der Besitz des Pferdes machte die Entstehung der eigentlichen Plainskultur möglich. Die Ausbreitung des Pferdes erfolgte von Süden aus den spanischen Gebieten nach Norden und erst Mitte des 18. Jahrhunderts kann von einer flächendeckenden Plainskultur die Rede sein. Die nun deutlich erleichterte Büffeljagd schien so attraktiv, dass viele Stämme ihr bisheriges sesshaftes oder halbsesshaftes Leben aufgaben und in die Plains zogen. Zugleich nahm aber auch ein Druck von Ost nach West immer mehr zu und zwang schwächere Völker in die Gebiete der Plains.


    Zunächst entstand der Druck durch die mächtigen Stämme des östlichen Waldlandes wie Irokesen, Objibwa und Cree, die durch ihre Kontakte zu den Weißen im Besitz von Feuerwaffen waren und auf der Jagd nach Pelzen immer größere Gebiete beanspruchten. Erst später kam der Druck durch die Westexpansion der USA hinzu. In der Mitte des 19. Jahrhunderts geriet dann das Gebiet der Great Plains zunehmend in den Fokus der USA. Zunächst war es nur ein auf dem Weg nach Kalifornien zu durchquerendes Gebiet, dann wurde in den Black Hills Gold gefunden und schließlich wollte man die freien Indianer endlich unter Kontrolle bekommen, um das riesige Gebiet als Siedlungsraum zu erschließen.


    1823 kam es im sogenannten Arikara-Krieg zu einem ersten militärischen Angriff der USA auf dem Gebiet der Great Plains. Die Arikara, ein mit den Pawnee verwandter Stamm (die Ree aus dem Film Der Mann den sie Pferd nannten), standen den Handelsinteressen amerikanischer Pelzhändler am Missouri im Wege. Der kurze Konflikt kostete ¼ des Stammes das Leben.


    Etwa zur selben Zeit kam es im damals noch spanischen Texas zu ersten Zusammenstößen zwischen europäischen Siedlern, den ansässigen Stämmen und den Comanche, die das Gebiet einige Jahrzehnte zuvor unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts sollte das Gebiet heiß umkämpft bleiben.


    Ab 1838 kam es zur massenhaften Zwangsumsiedlung der so genannten zivilisierten Nationen Cherokee, Creek, Choctaw, Chickasaw und Seminolen aus ihren angestammten Gebieten im Südosten der der USA in das Gebiet des Indian Territory im heutigen Oklahoma. Da dieses Land aber bereits von den dort lebenden Plainsstämmen beansprucht wurde, kam es auch hier bis zum Ende der Indianerkriege immer wieder zu Kämpfen.


    1854 kam es zum ersten bewaffneten Konflikt zwischen den Lakota (auch als Teton-Dakota bekannt). Damals fing und tötete ein Minneconjou-Lakota, der Gast in einem Lager der Brulé-Lakota war eine entlaufene Kuh. Der Besitzer beschwerte sich in Fort Laramie, woraufhin Leutnant Grattan mit 30 Männern und einem Dolmetscher zur Verhaftung des Schuldigen ausgesandt wurde. Die Gastgeber waren jedoch nicht bereit ihren Gast auszuliefern und eine Bezahlung der Kuh durch ein Pferd lehnte der Leutnant ab. Als der Häuptling die Verhandlungen abbrach, wurde er hinterrücks erschossen. Den anschließenden Kampf, der als Grattan-Massaker in die Geschichte einging, überlebte nur ein Soldat.
    Die Reaktion erfolgte 1855 durch einen Überfall der US Army auf ein Lager der Brulé-Lakota, bei dem 85 Brulé-Lakota starben, darunter Frauen und Kinder. Dieser Sieg ging als Schlacht von Ash Hollow in die amerikanische Militärgeschichte ein.


    1864 kam es bei dem ehemaligen Handelsposten Adobe Walls in Texas zu einem Angriff der US Army auf das Lager der Kiowa Apache (kleiner Stamm der Apache der auf den Plains lebte und mit den Kiowa verbündet war), der jedoch zurückgeschlagen wurde. Da die Verluste der Kiowa Apache jedoch höher waren, wurde der Ausgang des Gefechts als Sieg der US Army vermeldet.


    Ebenfalls 1864 kam es am Sand Creek im heutigen Colorado zu einem Angriff von Miliztruppen unter Colonel Chivington auf ein friedliches Dorf der Cheyenne. Dem Massaker fielen 133 Cheyenne, hauptsächlich Frauen und Kinder zum Opfer, die nicht nur getötet sondern auch verstümmelt wurden. Als Reaktion kam es zu Angriffen auf Julesburg und Ranches in der Umgebung mit ca. 50 Toten.


    Im Gebiet des heutigen Wyoming kam es ab 1866 zum Krieg zwischen den Lakota und der US Army. Unterstützt durch verbündete Cheyenne und Arapahoe griffen die Lakota Stützpunkte am Bozeman Trail an. Als Captain Fetterman mit 80 Mann in einen Hinterhalt geriet, wurde die Truppe komplett vernichtet. Die folgenden Gefechte endeten mit Siegen der US Army, auch dank der inzwischen eingesetzten Springfield-Hinterlader. Trotzdem erlaubten es die nach dem Bürgerkrieg zerrütteten Finanzen der USA nicht, den Krieg endlos fortzuführen und der Konflikt, der nach dem Führer der Lakota als Red Clouds War in die Geschichte einging, endete 1868 mit einem kompletten Rückzug der US Army aus dem umstrittenen Gebiet.


    Nach dem Vertrag von Laramie, der Red Clouds War beendet hatte, kam es 1868 am Washita im heutigen Oklahoma zu einem Überfall der 7. Kavallerie unter Lt.Colonel Custer auf ein Lager der südlichen Cheyenne, die sich auf dem Weg in eine ihnen zugewiesene Reservation befanden. Zu den Opfern gehörte eine bis heute umstrittene Anzahl Frauen und Kinder. Außerdem wurde eine große Anzahl Pferde und Maultiere erschossen. Vertreter der Indianeragentur sprachen von einem Massaker, für Custer war es ein glorreicher Sieg.


    1872 kam es am North Fork des Red River in Texas zu einem Sieg der US Army über die Kotsoteka-Comanche, die sich daraufhin bei einer Indianer Agentur niederließen.


    Zwischen 1874 und 1875 kam es im Norden von Texas zum sogenannten Red River-Krieg. Er endete mit der Kapitulation der Quahadi-Comanche und beendete die Indianerkriege in Texas.


    1874 fand eine Expedition der US Army unter Lt. Colonel Custer in den Black Hills Gold. Man beschloss, die Black Hills den Lakota abzukaufen und forderte alle Stämme im Gebiet von Montana und Wyoming auf, sich bis zum 31.1.1876 bei den Indianer Agenturen einzufinden, um die entsprechenden Verträge abzuschließen. Große Teile der Lakota lehnten einen Verkauf ab, andere erreichte die Aufforderung so spät, dass sie nicht in der Lage waren, auf das Ultimatum zu reagieren. Die USA beschlossen daraufhin, die Lakota unter Einsatz von Gewalt in die Reservationen zu zwingen.


    Im März griffen überlegene Kräfte der US Army ein Dorf der Oglala-Lakota und Cheyenne am Powder River in Montana an und wurden zurückgeschlagen. Die schlimmsten Verluste verursachte dabei ein Schneesturm. Im Juni erlitt die US Army am Rosebud Creek eine weitere Niederlage.


    Am 25.6.1876 kam es am Little Bighorn River schließlich zur größten Niederlage der US Army in den Indianerkriegen. Lt. Colonel Custer und sein Bataillon wurden völlig aufgerieben, weitere Einheiten der 7. Kavallerie erlitten schwere Verluste. Es folgt eine Serie von für die verbündeten Lakota, Cheyenne und Arapahoe verlustreichen Kämpfen, vor allem Niederlagen, bis sich Tashunka Witko (Crazy Horse) im Mai 1877 mit seinen letzten Kriegern ergab. Im September 1877 wurde er in Fort Robinson ermordet.


    1878 brach eine Gruppe der Northern Cheyenne aus der ihnen zugewiesenen Reservation im heutigen Oklahoma aus und floh nach Norden in ihr angestammtes Gebiet, wo ihnen eine neue Reservation zugewiesen wurde.


    1890 wurde Tatanka Yotanka (Sitting Bull) in der Standing Rock Reservation ermordet. Noch im selben Jahr kam es am Wounded Knee zu einem Massaker an Minneconjou-Lakota durch die US Army. Es gab bis zu 350 Opfer auf Seiten der Lakota. Die 25 toten Soldaten fielen hauptsächlich im friendly fire.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

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  • Eine schöne Zusammenstellung. Danke. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die amerikanische Presse Auseinandersetzungen, bei denen die Indianer siegreich waren, es zu erheblichen Verlusten bei den US-Soldaten kam, in der Regel als Massaker bezeichneten, selbst wenn die Indianer eindeutig angegriffen wurden (z. B. Little Big Horn), während der Überfall auf wehrlose Indianerdörfer meist als siegreiche Schlachten gefeiert wurden.


    Interessant ist die Theorie des Autors H. J. Stammel, die sich soweit versteigt, dass die Niederlage am Little Big Horn von amerikanischer Seite beabsichtigt gewesen sei, um die Black Hills im Interesse der Eisenbahngesellschaften in Besitz zu nehmen. Schon die Expedition von 1874 sei merkwürdig: Custer habe Gold gefunden, wo danach keines mehr gefunden wurde, und die Nachricht über den Goldfund wurde über einen öffentlichen Telegrafen und nicht über die normalen dienstlichen Kanäle weitergeleitet. 1876 habe General Crook das gleiche Ziel gehabt wie Custer. Bei der Schlacht am Rosebud River sei er so geschwächt worden, dass er sich zurückziehen musste: von seinen über 1000 Mann waren 10 gefallen und 21 verletzt. Die Verschwörungstheorie postuliert nun, dass Crook nur einen Vorwand brauchte, um befehlsgerecht wieder den Rückzug anzutreten. Custers Verhalten wäre anders zu bewerten, wenn er davon ausgegangen wäre, dass Crook seinen Angriff unterstützt.


    Wie alle Verschwörungstheorien hat die einige logische Fehler. Ich gehe davon aus, dass ein kontertierter Angriff von zwei Seiten nur unternommen wird, wenn über Kundschafter Kontakt miteinander aufgenommen wurde. Wie bei allen Verschwörungen mit vielen Eingeweihten ist es unwahrscheinlich, dass alles geheim bleibt und keine verräterischen Dokumente auftauchen. Wahrscheinlicher ist, dass Custer, gerade weil er vermutete, dass Crook von Süden kommt, übereilt und selbstüberheblich angegriffen hat, um den Ruhm des Siegs alleine einzuheimsen.

    There's time to finish the game and beat the Spaniards too.

  • Danke für die Zusammenfassung Speedy.
    Und für die Ergänzung Francis. Kommt sie gerade wo ich Flashmann bei den Rothäuten lass, das genau diese Epoche beschreibt. Allerdings auf sehr spezielle Art.


    Aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • Zitat von Francis Drake

    Wahrscheinlicher ist, dass Custer, gerade weil er vermutete, dass Crook von Süden kommt, übereilt und selbstüberheblich angegriffen hat, um den Ruhm des Siegs alleine einzuheimsen.


    Custer hatte halt das Problem, dass seine Karriere seit dem Bürgerkrieg stagnierte. Er war zwar Brevet Generalmajor der US Army in Anerkennung seiner Verdienste als Geneal der Freiwilligenverbände im Bürgerkrieg, sein tatsächlicher Rang und seine Dienststellung (sowie der Sold) entsprachen aber nur dem eines Oberstleutnants. Hinzu kamen immer wieder Differenzen mit Vorgesetzten und Kritik an seinem Führungsstil. Tiefpunkt seiner Karriere war dabei ein Kriegsgerichtsverfahren wegen seiner unmenschlichen Behandlung von Deserteuren, das mit einer einjährigen Suspendierung endete.
    Auch der Feldzug, der schließlich in der Schlacht am Little Bighorn mündete, stand für ihn unter einem schlechten Stern. Ursprünglich für die Mission vorgesehen betrieb Präsident Grant persönlich seine Ablösung und ließ sich erst unmittelbar vor Custers Aufbruch umstimmmen. Custer war also zum Erfolg verdammt. Andererseits war er aufgrund seines Erfolges bei Washita Massaker seiner Sache sehr sicher und glaubte nicht, ein besonderes Risiko einzugehen.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

    Einmal editiert, zuletzt von Speedy ()

  • Wobei diese Geschichte (Brevet-Beförderung im Krieg, Rückstufung auf tatsächlichen Rang, kaum Chancen auf Beförderung) für die US-Army irgendwie sympthomatisch ist. Vor allem nach unserer Zeit (I. WK) gibt es haufenweise Beispiele.

    "If there are ladies present, gentlemen should be also." - Major Richard Sharpe

  • Mit diesem Problem steht die US Army nicht allein, das betrifft wahrscheinlich jede größere Armee in den Zeiten länger andauernder Kriege.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)