"Ziviler Beruf" für Offiziere auf Halbsold?

  • Eine fixe Idee, die mir so in den Kopf kam... Hätten Offiziere auf Halbsold nicht "einfach" einen zivilen Beruf für diese Zeit annehmen können? Oder wäre das nicht standesgemäß gewesen, wenn zum Beispiel der Offizier auf einer Werft als "Aufseher" oder ähnliches arbeitet?
    Bisher hab ich immer nur davon gelesen, dass die Offiziere teilweise dann auf Handelsschiffen oder Zollkuttern angeheuert haben, was natürlich auch am meisten Sinn macht so als Nautiker.


    Oder war das Beschäftigungsverhätnis bei der RN so geregelt, dass eine Alternative Beschäftigung gar nicht erlaubt war?


    Ich weiß ich komm immer mit sehr "hypothetischen" etwas abgedrehten Fragen, aber manchmal sind es auch die, die einen dann doch interessieren. crazy

    "As a ship is undoubtedly the noblest and one of the most useful machines that ever was invented, every attempt to improve it becomes matter of importance, and merits the consideration of mankind."

    Thomas Gordon, Principles of Naval Architecture (1784)

  • Moin @Architect Navalis,


    wie auch heute, konnten schon seinerzeit, ( erste Erwähnung des Halbsoldes in den lesenswerten Tagebüchern des Samuel Pepys ) kompetente Fachleute im Mobilisierungsfall nicht einfach aus dem Boden gestampft werden.


    Die Einrichtung der Halbsoldzahlung diente mithin dazu, sich auch in Friedenszeiten die Fähigkeiten der Offiziere zu erhalte. Das bedeutet, eine Abwanderung in andere Berufsfelder sollte vermieden werden. Hieraus ergibt sich, dass die Empfänger der Halbsoldzahlung nach wie vor allen Dienstpflichten unterlagen.


    Die Ausübung einer Nebenbeschäftigung stünde dem entgegen und dürfte wohl nur in Einzelfällen, mit Zustimmung des Dienstherren, vorgekommen sein.


    Audrey & Co erhalten daher, wenn sie in ausländische oder Dienste der Bombay-Marine eintreten, häufig neben der entsprechenden Erlaubnis auch eine Zusage betreffend die Anrechnung der Dienstzeiten sowie der Wiedereinstellung.


    Hornblower blieb, mangels anderer Angebote, nur das Spiel als Einnahmequelle.


    Grüsse von der Weser


    Deetjen

    "Certainement qui est en droit de vous rendre absurde, est en droit de vous rendre injuste."
    Voltaire in "Ouveres komplettes de Voltaire" 1784, S. 447

    Wer dich veranlassen kann, Absurditäten zu glauben, kann dich auch veranlassen, Unrecht zu begehen.

  • Moin,


    gerade noch gefunden, zu dem Thema empfehlenswert:


    Allgemeine Millitär Zeitung vom 05. Juli 1837, Seite 420,
    "Über Avencement, Stellenkauf und Halbsold in der englischen Armee"


    Unter Google Books.


    Schildert die Verhältnisse und Entwicklung des Halbsoldwesens.


    Grüsse von der Weser


    Deetjen

    "Certainement qui est en droit de vous rendre absurde, est en droit de vous rendre injuste."
    Voltaire in "Ouveres komplettes de Voltaire" 1784, S. 447

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  • Offiziere auf Halbsold unterlagen nicht mehr der Marineordnung und konnten folglich auch nicht dazu gezwungen werden, einen neuen Posten anzunehmen - was dann aber zur Einstellung der Zahlung des Halbsoldes führte bzw. führen konnte. Ebenso, wenn sie eine andere Stellung annahmen. Natürlich gab es davon auch (etliche) Ausnahmen, sonst wäre es ja auch nicht die RN.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Dem gegenüber heisst es in der vorstehend angegebenen Quelle:


    "......man hat die Liste der Fähnriche auf halbem Sold bedeutend vermindert, indem man eine grosse Anzahl derselben nöthigte, entweder in den activen Dienst überzutreten oder ihre Stellen zu verkaufen."


    Wobei man sicher einwenden könnte, dass die Erwähnung des Stellenverkaufes verdeutlicht, dass sich der Bericht lediglich auf das Heer bezieht.


    Was jedoch nicht erklärt, warum Heer und Marine unterschiedlichen Regularien bei ansonsten gleichen Verhältnissen unterfallen sollten.



    Auch der Offizier auf Halbsold unterstand weiter der Jurisdiction der Marine. So konnte er zum Beispiel immer noch vor ein Militärtribunal gestellt werden, wenn er sich eines Verbrechens oder eines Vergehens strafbar machte. So war er weiterhin zum Tragen der Uniform und zum Führen seines Dienstgrades berechtigt.


    Die Tatsache, dass er eine angebotene Beorderung ablehnen durfte, unterschied ihn nicht von den Vollsold-Offizieren, denen dasselbe Recht zustand und ist mithin kein Kriterium für die Beantwortung der Frage, ob er weiterhin der Jurisdiction der Marine unterstand.


    Grüsse von der Weser


    Deetjen

    "Certainement qui est en droit de vous rendre absurde, est en droit de vous rendre injuste."
    Voltaire in "Ouveres komplettes de Voltaire" 1784, S. 447

    Wer dich veranlassen kann, Absurditäten zu glauben, kann dich auch veranlassen, Unrecht zu begehen.

    Einmal editiert, zuletzt von Deetjen ()

  • Wobei man sicher einwenden könnte, dass die Erwähnung des Stellenverkaufes verdeutlicht, dass sich der Bericht lediglich auf das Heer bezieht.

    Richtig, dass muss sich auf das Heer beziehen. Denn ein Fähnrich der Marine war kein Offizier und bekam keinen Halbsold.

    George N. W. Cavendish-Bentinck (M.O.R.N.)

  • Die Royal Navy und das britische Heer zu "unserer" Zeit kann man glaub ich nur schwer vergleichen, da Aufbau und Struktur doch zu unterschiedlich waren.
    In die Armee konnte man sich einkaufen und seinen Posten auch wieder veräußern (Offiziersebene), in der Navy war das so nicht möglich.
    Hat auch etwas mit dem nicht vorhandenen stehenden Heer zu tun, während die Navy jeher ganz andere Aufgaben zu erfüllen hatte.
    Wer Offizier werden wollte, musste Zeiten zur See nachweisen können (auch wenn die meisten Einträge in den Musterrollen gewiss "beschönigt" waren...). Weiterhin gab es noch das Leutnantsexamen (da wurde bestimmt je nach Prüfling auch mal mehr als ein Auge zugedrückt). Man musste also irgendwie die Befähigung glaubhaft machen können, sonst war das erste sicherlich auch das letzte Kommando.


    Die Angelegenheit mit der Zuständigkeit bei Tätigkeiten außerhalb der Marine wäre nochmal eine eigenständige Frage.


    Grundsätzlich lässt sich zumindest sagen, dass es durchaus möglich war, andere Posten anzunehmen.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Ich habe Hier was spannendes zu Halbsold gefunden.
    Demnach dürfte man nur keinen Public Job annehmen. In Privaten Firmen dürfte man schon arbeiten. Und man dürfte nicht ins Ausland gehen.
    Interessant auch, das die Menge der Offiziere auf Halbsold begrenzt war, auch bekam man nur Halbsold wenn man auch im letzten Krieg eingesetzt war.


    Aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • In den Regularien von 1808 ist das wieder relativ schwammig formuliert. Dort heißt es, dass der Offizier, der zum Bezug von Halbsold berechtigt ist, dies dem Lord Commissioner der Admiralität zu melden hat, um auf die Liste der Halbsoldbezieher aufgenommen zu werden. Und er hat den Sekretär der Admiralität über seinen Aufenthaltsort zu informieren.


    Beim Master erfolgt eine passende Aufstellung nach Seniorität, Qualifikation und (aktueller) Dienstzeit. Gehörte man zu den ersten fünfzig Mastern auf der Liste, die sich für den Dienst auf Linienschiffen des ersten und zweiten Ranges qualifiziert hatte, so standen einem pro Tag 5 Shilling Halbsold zu, sofern man mindestens 3 Jahre lang als Master auf Seiner Majestät Schiffen tätig war.
    Alle, die nicht mehr dienstfähig waren oder nicht im aktuellen Krieg gedient hatten, sollten hingegen Halbsold nach dem 'Old Establishment' erhalten, sofern sie immer ihren Dienst erbracht hatten.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Wir müssen da glaub ich bis an den Anfang der Regierungszeit George I. zurückgehen, denn in den Protokollen von z.B. Januar/April 1721 taucht ein entsprechender Term auf: "For Half Pay to the Sea Officers, according to an Establishment made by His Majesty on that behalf..." Da liefen in 6 Jahren schon über £30.000 auf.

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  • Tolle Angaben. Wo hast du das gefunden?


    Aga

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    Adm. Horatio Nelson

  • Das stammt aus einer Kostenaufstellung der RN für das Jahr 1720, abgedruckt in der Journalen des House of Commons von April 1721, da war ja datumstechnisch eine Verbindung zu der Quelle der Admiralität aus dem Artikel von Rodgers.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Ich habe Hier was spannendes zu Halbsold gefunden.
    Demnach dürfte man nur keinen Public Job annehmen. In Privaten Firmen dürfte man schon arbeiten. Und man dürfte nicht ins Ausland gehen.
    Interessant auch, das die Menge der Offiziere auf Halbsold begrenzt war, auch bekam man nur Halbsold wenn man auch im letzten Krieg eingesetzt war.


    Aga

    Diese Einschränkungen beim Bezug von Halbsold scheint es aber nur bis in die 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts gegeben zu haben. In Steels Navy List von 1799 werden Zahlen zum Halbsold genannt. Deren Höhe richtet sich zum Beispiel für Leutnants nach ihrem Platz auf der Rangliste. Die ersten 100 erhalten 5 Shilling pro Tag, die nächsten 100 3 Shilling6 Pence pro Tag und der Rest 3 Shilling pro Tag. Wenn ich mir die ältesten Leutnants auf der Liste anschaue, so war der älteste seit 55 Jahren Leutnant. Ob der noch im letzten Krieg gedient hat...

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Da wäre es interessant zu wissen, was als "Krieg" zählte.
    Ich muss da nochmal weitersuchen, es muss ja verschiedene Regelungen bzw. Lockerungen mit der Zeit gegeben haben.

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  • Übrigens mussten Bezieher von Halbsold halbjährlich beeiden, dass sie kein öffentliches Amt bekleiden. Das galt nicht für Empfänger von Pensionen.
    Was die grundsätzliche Frage dieses Threads betrifft, so waren Empfänger von Halbsold natürlich eingeschränkt, denn sie durften ja das Land nicht ohne weiteres verlassen, da sie ja jederzeit bereit sein mussten, einen Posten anzutreten. Mann musste sich dafür beurlauben lassen und ich vermute, dass für diese Zeit die Zahlung von Halbsold ausgesetzt wurde. Hinzu kam ja noch, dass Offiziere als Gentlemen galten und als solche war ein Gelderwerb außerhalb der Navy sicherlich zumindest etwas anrüchig. Spontan fällt mir da keine akzeptable Tätigkeit ein, da ja öffentliche Ämter ausgeschlossen waren.

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  • Blieben z.B. die Bereiche des Hafenbetriebes und die der Werften. Da gab es bestimmt etliche Aufgaben zu erledigen, evtl. auch unter Aufsicht des Navy Boards.
    Zählte ein Parlamentssitz dann auch zu einem öffentlichen Amt?


    Navy Offizier = Gentlemen galt glaub ich lange Zeit so nicht, irgendwo habe ich dazu etwas gelesen und das war wohl auch nicht ironisch gemeint.

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  • Ich glaube nicht, dass Parlamentssitze darunter fielen. Ich glaube aber auch, dass man auch in Friedenszeiten bestrebt war, ein MP nicht ohne Kommando zu lassen.

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  • Parlamentssitze waren damals Ehrenämter. Fielen also nicht darunter.


    Aga

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    Adm. Horatio Nelson

  • Offiziere auf Halbsold unterlagen nicht mehr der Marineordnung und konnten folglich auch nicht dazu gezwungen werden, einen neuen Posten anzunehmen - was dann aber zur Einstellung der Zahlung des Halbsoldes führte bzw. führen konnte. Ebenso, wenn sie eine andere Stellung annahmen. Natürlich gab es davon auch (etliche) Ausnahmen, sonst wäre es ja auch nicht die RN.

    Dafür habe ich ein interessantes Beispiel gefunden. 1803 kam es in Carlisle Bay zu ein einem Vorfall, bei dem sich Leutnant Edward Tobyn gegenüber Konteradmiral Sir Samuel Hood daneben benahm. Die Admiralität lehnte jedoch ein Kriegsgerichtsverfahren ab, da der Leutnant nicht im aktiven Dienst stand, sondern seinen Halbsold mit dem Job als zweiter Steuermann auf einem Guineafahrer aufbesserte.

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