Band 14 - Ramage unter Anklage

  • Mäßige Lösungen


    Ramage unter Anklage, so lautet der deutsche Titel in der Übersetzung von Eckhard Kiehl des 14. Abenteuers von Lord Ramage durch die Brille von Dudley Pope.
    Pope hat wohl in diesem Bändchen seine Brille nicht gut genug gereinigt, eine vielleicht zu sehr getönte auf oder es stimmt schlichtweg seine Sehstärke nicht mehr wirklich. Spider-App? Hier ist ihm wenig auf 416 Seiten gelungen, aber dennoch soll eine nachfolgende kritische Einschätzung fair begründet werden.


    Ramage und sein bekanntes Bordpersonal laufen mit 2 Fregatten als Prisen und den geretteten französischen Royalisten (Graf von Rennes) in die Carlisle Bay auf Barbados ein. Dort erwartet sie ein Admiral und eine Nachricht aus der Heimat. Ramages Frau Lady Sarah ist mit der Murex nicht in England eingetroffen und daher vermisst. Das ist nicht gut und noch weniger gut ist, dass alle drei Fregatten nun als Geleitschutz eines großen Konvois nach England kriechen müssen, das die Handelsschiffe nur langsam können, weil sie eine 'Rinderherde' sind. Obwohl Ramage unter der Order der Admiralität segelt, muss er den Geleitschutz anführen und kann nicht zurückeilen, um den Verbleib seiner Frau zu klären.
    Auf der langsamen Tour über den Atlantik kommt es zu einem seltsamen Zwischenfall. Die britische Fregatte Jason verpasst der Calypso eine Breitseite, die nicht trifft und rasiert ihr fast den Klüverbaum weg. Ramage entert die Jason ohne Gegenwehr und trifft auf eine paralysierte Crew und einen sonderbaren Kapitän. Wagstaffe verbleibt auf der Jason und segelt sie dann zurück nach Plymouth. Sidney Yorke und seine sensationell schöne Schwester Alexis sind mit von der Partie auf dem besten Konvoischiff. Sogleich ist die Schwester voll auf verknalltem Ramage-Kurs.
    Zurück in England wird Ramage sofort von dem merkwürdigen Kapitän der Jason, Shirley, und einem Kriegsgericht unter der Leitung von Ramages altem Widersacher Admiral Goddard angeklagt. Angeklagt aufgrund vieler Verstöße gegen verschiedene Kriegsartikel beginnt ein Schauprozess, bei dem alle Möglichkeiten der argumentativen Verteidigung vom Gericht nicht zugelassen werden. Lady Alexis rettet dann mit Temperament und einer heldenhaften Idee den Helden Ramage.


    Was ist gelungen?
    Pope knüpft nahtlos an das letzte Abenteuer an.
    Ein unglaublich taktloser Admiral auf Barbados stürzt während des ersten Gesprächs mit Ramage von einem Fauxpas in den nächsten – das ist großartig lustig.
    'Eine Kreuzfahrt machen' ist ein Euphemismus für 'Jagd auf Prisen'.
    Alle freuen sich über eine Trommel.
    Und wirklich herausragend sind in diesem Bändchen die wirklich kreativen, meistens superkomischen Vergleiche, wenn Pope den Lesern etwas erklärt.
    Folgendes Zitat soll dies belegen: „Goddard fiel fast die Kinnlade herunter. Er starrte Shirley mit dem gleichen Ausdrucke von Ungläubigkeit an, wie ein Mann sein bislang liebendes Weib ansehen würde, die beiläufig am Frühstückstisch erwähnte, daß sie ihn montags immer mit Dr. John Moore, dem Erzbischof von Canterbury, an Donnerstagen jedoch mit Dr. John Douglas, dem Lord Bischof von Salisbury, betröge und ihm zur Erklärung sagte, sie könne Prälaten mit dem Vornahmen John einfach nicht widerstehen, daß jedoch die Bischöfe von Hereford, Chichester und Oxford – die auch alle den Vornamen John trügen – ihre Avancen bisher zurückgewiesen hätten.“ (S. 322).
    Das war es denn auch schon!


    Was ist wenig gelungen?
    Die Story ist überzogen konstruiert. Wieder eine wunderschöne Lady weg (Sarah) – kommt eben die nächste (Alexis)! Die Ladies lieben sofort den Helden, wie auch anders? Eine paralysierte Crew, ein verrückter Kapitän, OK, aber weil es eine Befehlskette gibt und Kriegsartikel, ist jeder Handlungsverlauf möglich? Mit Verlaub – nein. Ein verrückter Kapitän und eine eingeschüchterte Mannschaft und ein fremder Leutnant auf der Jason – und man segelt nur eben über den Atlantik und bleibt völlig ahnungslos, was denn wohl so los ist??? Das soll spannend sein, aber wirkt doch über viele Seiten eher an den Haaren herbeigezogen. Das ist nicht mehr verträglich und nachvollziehbar. Dann ein Prozess mit dem verrücktem Kapitän und dem rachedürstenden Goddard. Das ist einfach sehr plump dargestellt. Und natürlich rettet die Schöne den Helden durch einen tollen Auftritt vor Gericht und eine tapfere Aktion. Das ist platt und nahe an trivialen Stories vergleichbar den Geschichtchen billiger Groschenromane.
    Wie kommt es zu dieser plötzlichen erzählerischen Sterilität bei D. Pope? Das liegt möglicherweise daran, dass Pope sich in kleinkarierter Vorarbeit und Recherche verschiedene zeitgenössische Schriften aufgetrieben hat. Als Beispiel zitiert er absatzweise aus den Signalen und Instruktionen für Konvoifahrten. Die Kriegsartikel werden haarklein zitiert.Und noch unnötiger sind die Passagen aus den Hafenregeln in Plymouth.Das ist sehr statisch, langweilig und eben nicht erkenntnisgewinnend, dies stört eine dynamische überraschende Handlungsgestaltung. Das nervt.


    Ein Fazit: Leider nur eine mäßige kleine Story, die schnell weggelesen nicht verdient, dann weiter beachtet und bedacht zu werden. Verzeihen wir dem Autor und seinem Helden diese mäßige Erzählung und freuen uns auf den nächsten Band, der alle Beteiligten, Autor, Figuren und Leserschaft wieder versöhnt mit einem vielleicht schwungvollerem Abenteuer.


    "Wie die Luft gehört die See als Geburtsrecht allen Menschen.“
    (Thomas Jefferson 1743 - 1826)

  • Ich teile Deine Einschätzung @1.Lord. Wenn die ganze Reihe eine echte Schwachstelle hat, dann sind es diese hahnebüchenen Prozesse, denen sich Ramage mit schöner Regelmäßigkeit zu stellen hat. Und der Prozess in diesem Roman ist ja nicht der erste, sondern bereits der dritte, wenn ich mich nicht irre. Und alle laufen irgendwie nach dem gleichen Muster ab. Ramage steht seinen Todfeinden gegenüber, es werden für die Verteidigung keinerlei Beweise oder Zeugen zugelassen und dann taucht urplötzlich irgendein deus ex machina auf, der den praktisch schon verurteilten Ramage rettet. Das nervt gewaltig.
    Dudley Popes ausführlichen Vorträge finde ich ganz interessant. Sie haben aber hier offensichtlich die Funktion, etwas mehr Masse zu machen, weil der Band sonst gar zu dünn ausfallen würde.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)